Um 21.30h rollt das blaue Ungetüm pünktlich und laut schnaubend in den Bahnhof Zoo ein. Ja der Zoo, einiges hat sich verändert. Nicht nur die Tatsache, dass nun schon seit mehreren Jahren die „Ich-schau-mir-mal-nen-paar-Junkies-an
Terroristen
Touristen“ unverrichteter Dinge und enttäuscht von ihrem Bahnhof Zoo
Urlaub
zurückkehren und nun verzweifelt nach einer Ausweichattraktion suchen müssen. „Scheiße, keine Spritzen in den Armen, keine Assis, die sich anpöbeln, keine Messerstechereien“ motzen sie in Scharen – liebe Leudde, geht nach
Kreuzberg
währe eine passende Antwort! Nein, nachdem er auch noch vom Hauptfernverkehrsnetz abgeklemmt wurde, ist es noch mal eine Nummer ruhiger geworden.
Innen ist es bereits still, zwei der Mitreisenden haben bereits ihren Spaceschalensitz in die Waagerechte positioniert und strafen den total verstrahlten, weil mal wieder viel zu spät in die Gänge gekommenen, Herrn Timo mit ihren vernichtenden Blicken, als ich stümperhaft meinen Rucksack gegen jede nur erdenkliche Stelle des Wagens ramme. Sitzen – eine Wohltat – endlich, zehn Stunden absolute Stille und Entspannung, erstmal ne Kippe zum runterkommen. Nur wo? Wo? Wo zur bekackten Axt sind ihr die Aschenbecher, verdammte Scheiße?
Der Ticketknipser kommt freundlich grinsend herein und will meine Papiere sehen. Klar Keule hier hast Du. „Äm, wo bitte ist denn hier das Raucherabteil? Ich dachte ich hätte einen Platz in Selbigen reserviert?!“ „Rauchen?“ grinst mich das Gesicht an, „Rauchen gibt’s hier leider nur im Boardbistro, einfach den Gang hinunter“ Danke Herr Vogel, war mir klar, dass ich nicht den Aufzug nehmen muss. 100 Euronen und dann noch nicht mal am Platz rauchen, na das fängt ja gut an! Also quetsche ich mich wieder aus meinem Schalensitz heraus und, genau, bleibe erstmal gepflegt an meinem Rucksack hängen, um mich richtig lecker zu maulen. Die Reaktion meiner schlafenden Kollegen – auch selbstverständlich - böse Blicke!
Durch die Gänge geschlendert und zack im Bistro eingefunden. Laute Salsamucke und viele Menschen, die sich gemütlich bei Bier und Wein die Zeit vertreiben. Weizen beordert und endlich mal bequem hingesetzt ohne die Angst vielleicht zu laut zu atmen. Und tatsächlich, die Entspannung erhält augenblicklich Einzug in meinen Körper. Lecker, gemütlich, gut nicht wirklich schöne Musik, aber ein Stück
Urlaub
suggeriert sie ja.
Draußen fliegt die Landschaft am Fenster vorüber und meine Gedanken fangen an, sich vor Freude auf Frau Jane zu überschlagen, fünf Tage Entspannung und Zweisamkeit.
Um eins beschließe ich nu auch mal die Schlafwanne zu testen und begebe mich zurück in mein Abteil. Auf dem Weg wird gerade ein laut motzender wohl Russe vom BGS aus dem Zug komplimentiert, weil er wohl fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass die Reise mit dem Nachtzug kostenlos sei. Schon beeindruckend, wie weit ein Besoffener seinen Koffer durch den Bahnsteig schleudern kann!
Viel zu laut finde ich mich weder auf meinem Schlafsessel ein, öffne meinen Wein, wende mich meinem Hörspiel zu und entgleite in die Welt der Träume – eine schöne Erfahrung mit dem Nachtzug.
Knapp elf Stunden später und nicht wirklich erholt findet sich der Herr Timo auf dem Straßburger Hauptbahnhof wieder. Die Sonne geht auf und meine Freude wächst, rein in den Zug zum Ziel und mal großzügig auf das Lösen des Tickets verzichtet – ich hab ja schließlich schon genug bezahlt. Die Tür am Ende des Wagens geht auf, herein kommt der Schaffner und… geht an mir freundlich lächelnd vorbei.
“Timo Du geile Sau hast es echt geschafft, Dich vor dem Bezahlen zu drücken”, schießt es mir durch den Kopf. Doch leider zu früh gefreut, zwei Minuten später steht er vor mir und schaut mich erwartungsvoll an. “Ok, Plan B und cool bleiben”, denke ich mir und zücke mein Ticket von Berlin nach Straßburg, unterstützt durch ein breites Grinsen. Er nimmt es an sich, schaut drauf und dann mir in die Augen. „Ne, Kollege, so nicht!“ versucht er mir auf Französisch zu erklären.
Nach weiteren zwei Minuten haben wir dann auch unsere Sprachbarriere überwunden und ich versuche ihm in meiner Muttersprache zu erklären, dass seine deutschen Kollegen mir angeblich gesagt hätten, dass das schon klarginge mit dem Ticket, von wegen Zonensystem und so.
Schade – wenigstens hat er sich von vierzig auf zehn Euro Strafe runterhandeln lassen und ich konnte endlich mein sauschönes Wochenende im Elsass genießen…
Wenn die Strecke doch bloß nicht so lang wäre!
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