Ich bin unausgeschlafen, alles ist langsam. Die Beine sind schwer. Ich bewege mich durch die Wohnung und habe das Gefühl zu schweben. Schweben mit Gewichten an den Beinen, tief unter Wasser, mitten in der Finsternis ohne Chance die Gewichte loszuwerden. Handlungsunfähig, unten am Grund, alles in Zeitlupe, alles strengt an. Keine Luft, der Kopf zum bersten gespannt.
Nein, ich bekomme keine Depressionen, es geht um den Alkohol. Alkohol meine Damen und Herren ist etwas nicht Gutes für unsere Körper, für diese Gesellschaft, für die Familien und für die Seele.
Ich weiß, klingt plakativ. Weiß jeder schon, ist selbstverständlich aber lasst mich kurz mal ausreden!
Wenn dieses Kohlenstoff- Wasserstoffgemisch nicht wäre, dann wäre die Geschichte vieler Menschen, die wir kennen, vieler Familien, weniger Länder und die Geschichte der einen Welt sicherlich um einiges anders verlaufen.
Saufen gehört zum Leben . Als erwachsene und mehr oder minder intelligente Menschen gehört es zum Abend, es gehört zum guten Ton. Man macht sich gar keinen Kopf mehr drum. „Ein Glas Wein am Abend“ ist nicht schlimm, sogar vom Arzt “empfohlen”. Man geht abends weg und es wird nicht mehr gefragt ob, nur in welcher Form man sich die Birne zuknallen will. Wann hat zum letzten Mal jemand in meiner Gegenwart an einem Freitagabend etwas Nichtalkoholisches bestellt??? Gibt es am Kickertisch jemanden, der nach zwei Uhr Nachts noch nüchtern spielt? An den Billardtischen in all den verrauchten Kneipen?
Mit Alkohol wird auf besondere Ereignisse angestoßen, auf besonders schöne Momente. Wenn sich zwei Menschen kennenlernen, wenn sie sich Verloben, an jedem Geburtstag, an Weihnachten, eigentlich an jedem Familienfest, wenn geheiratet wird, wenn jemand stirbt. Besonders wenn jemand stirbt! Viele Menschen besaufen sich, wenn sie am Boden zerstört, ganz für sich alleine da liegen und sonst nichts mit sich anzufangen wissen. Die ausweglosen Situationen sind die gefährlichen. Der Alkohol hilft. Er hilft vergessen, erleichtert zu verdrängen, nicht zu verarbeiten und verhindert gleichzeitig das Aufräumen. Das würde schließlich auch zu lange dauern. Zu viel Kraft beanspruchen.
Ich möchte nicht zum Boykott aufrufen, ich möchte auch nicht behaupten, dass ich ernsthaft vorhabe, nun abstinent leben zu wollen. Ich möchte hier keinen Vortrag halten, ich will hier keine persönlichen Geschichten auspacken. Ich weiß nicht mal warum ich jetzt gerade hier sitze und diese Zeilen schreibe, ich habe gestern noch nicht mal etwas getrunken.
Jeder von uns weiß, dass die Menge, das Ausmaß, die persönlichen Grenzen und das Bewusstmachen den entscheidenden Unterschied ausmachen. Wir sollten nur ein wenig öfter darüber nachdenken und es uns vor Augen halten, wie viele Schicksale schon aus dem Ruder gelaufen sind, nur weil der eine oder die andere mal eben vergessen hat, dass man sich über eine solche Selbstverständlichkeit auch ab und zu mal Gedanken machen sollte…
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